Namibias Süden – wo der Himmer die Erde berührt
Aufenthalt auf der KIRIPOTIB-Astro-farm im Juni 2018
Beim Verlassen des Flugzeugs in Windhoek war es um 5.30 Uhr morgens kalt und noch stock-dunkel. Der Winter im Süden Afrikas ließ grüßen. Aber schon nach kurzer Zeit dämmerte es, und es kam zu einem kraftvollen, den halben Himmel übergreifenden, rotleuchtenden Sonnenaufgang – alles in wenigen Minuten.
Beim Einsteigen in den KIRIPOTIB-Geländewa-gen trafen meine Frau und ich auf drei weitereSternfreunde aus Norddeutschland. Nach ca.einer Stunde Fahrt auf dem Weg RichtungSüd-Ost endete der geteerte Straßenbelag. Esging nun in zügiger Fahrt über eine an vielenStellen wellblechartige Naturstraße, auf dersich insbesondere bei Gegenverkehr gewaltigeStaubwolken entwickelten.
Nach 160 km und zwei Stunden kamen wir auf dem riesigen Gelände der KIRIPOTIB-Farm am Rand der Kalahari Wüste an. Die Temperatur war mittlerweile auf angenehme 26 Grad angestiegen. Mit einem kühlen Begrüßungscocktail wurden wir freundlich empfangen. Die KIRIPOTIB-Gästefarm ist ganzjährig für Individualreisende geöffnet.
Die Farm liegt auf einer Hochebene von 1500 m Höhenmetern mit unbegrenztem Rundumblick und umfasst ein Areal von 10.000 Hektar. Von dort aus werden im Tagesgeschäft Herden von 800 Rindern, 500 Schafen und ein großes Wildtiergebiet bewirtschaftet. Außerdem gibt es auf dem Gelände eine bekannte Teppichweberei sowie eine Goldschmiedewerkstatt.
Die Unterkunft erfolgt in großzügigen Chaletsoder Doppelzimmern. Der Gästefarmbetriebsteht allen Besuchern offen. Es können rund 20Gäste versorgt werden. Zum einen gibt es Indi-vidualreisende, die auf ihrer Tour durch Namibiahier Station machen. Andererseits erscheinen zu jeder Neumondperiode im Winter begeisterte Sternfreunde, die – wie wir schon Monate vorher gebucht haben. Nicht wenige kommen jedes Jahr wieder.
Am Anreisetag war um 14.30 Uhr ein erstes Zusammentreffen mit unserem Astro-Betreuer auf dem Beobachtungsgelände angesetzt. Astrobetreuer Dietrich aus Hamburg ist langjähriger KIRIPOTIB-Stammgast. Er war für die Zuteilung der Beobachtungsplätze und die Bereitstellung der gemieteten Instrumente zuständig, ebenso für die ordnungsgemäße Wiedereinlagerung vor der Abreise.
Das Gruppentreffen fand bei Kaffee und Kuchen vor der Aufwärmhütte statt, der Astrovilla, wo in den langen, kalten Nächten heiße Getränke, ein Imbiss oder auch ein kühles Windhoek Lager eingenommen werden konnten.
Es zeigte sich, dass meine Frau und ich die einzigen waren, die sich für die rein visuelle Beobachtung entschieden hatten. Der Rest der insgesamt auf 7 Personen angewachsenen Astro-Gruppe hatte ihren Schwerpunkt bei der Fotograße und den Aufnahmen von Timelapse-Videos angesiedelt. Schnell war der uns zugewiesene Beobachtungsplatz eingerichtet. Meinen LUNT ED-100-Bino (mit Az/ Alt-Findersystem) hatte ich im Handgepäck eingelogen. Zusätzlich stand uns für die gesamte Neumondphase ein 14,5″ ICS-Dobson zur Verfügung, den wir zuvor angemietet hatten. Diese Kombination erwies sich schon in der ersten Beobachtungsnacht als sehr effektiv. Konnten wir zur blauen Stunde die uns fremden Sternbilder am Südhimmel noch erahnen, so ertrank alsbald jeder Orientierungsversuch im prallen Überangebot an Sternen, Nebeln und sonstigen Objekten der Milchstraße.
Jedem Südhimmel-Neuling fallen sicher zuerst die Magellanschen Wolken als Wattebausche sind etwas abseits von den geballten der Milchstraße leicht auszumachen.
Ebenso fallen der darin eingebettete Tarantelnebel sowie 47 Tucanae ins Auge. Jetzt nur schnell das Bino mit den Übersichtsokularen klarmachen …sofort geht es mit viel Aah und Ooh auf eine ausgedehnte Tour durch die südliche Milchstraße …halt!… das muss der Kohlensack sein, so groß, viel schwärzer als gedacht, direkt am Kreuz des Südens… toll!
Nach der Anfangseuphorie bin ich systematischer vorgegangen, um nicht doch noch vor Begeisterung irgendwann das richtige Kreuz des Südens mit dem benachbarten falschen zu verwechseln.
Aber mit Hilfe der Finder-Handy-Apps (Stellarium / ManGoTo3.1) und den angezeigten aktuellen Standortdaten waren viele der berühmten Südhimmelobjekte schnell verortet und mit dem Bino ins Visier genommen. Danach war es einfach, über den Telrad-Finder den Dobson entsprechend auszurichten und anzugleichen. So konnten wir bereits-vorbereitet mit Excel-Objektlisten und markiertem Deep Sky-Atlas – nach kurzer Zeit eine Sicherheit beim rein manuellen Aufanden der wichtigsten Objekte des übervollen Himmels gewinnen.
Nächtelang konnten wir uns so an kontrast starken, ästhetischen Ansichten der Himmelsobjekte erfreuen.
Der Himmel des winterlichen Namibias wurde durch die ungeheuer breite und hell strahlende Milchstraße dominiert. Die unfassbare Weite der Landschaft und die optimalen Sichtbedingungen ließen den Eindruck entstehen, dass der Himmel die Erde berührt. Beim Höchststand der Milchstraße war der Weg im ganzen Gelände ohne Taschenlampe problemlos zu anden. Dabei war der legendäre Milchstraßen-Schattenwurf tatsächlich auf den Wegen und dem Betonboden des Beobachtungs platzes klar erkennbar.
Hoch zogen die Planeten ihre Bahnen. Jupiterzeigte deutlich sichtbar seinen roten Fleck,Satum die Cassini-Ringteilung und mindestens5 seiner Monde in allen vorhandenen Geräten.Der Mars erschien mit klar erkennbarer Eiskappe im Okular. Braucht man für die riesigenKugelsternhaufen wie 47 Tucanae und OmegaCentauri vorzugsweise einen großen Dobson,um sie in Hundertausenden von Sternen aufge-löst zu sehen, so geht man z. B. John HerschelsSchmuckkästchen am besten mit APO-Refraktoroder APO-Bino an. Die Brillanz der enthaltenenSterne und deren faszinierende unterschiedlicheFarbgebung waren umwerfend; sie lassen sichnicht annähernd so authentisch fotogra@sch ab-bilden han muss es mit eigenen Augen gesehenhaben! Der großächige und extrem leuchtstarkeEta Carina-Nebel mit seinen eingebettetenOffenen Sternhaufen harmonierte perfekt mitdem über 3 Grad großen Gesichtsfeld des Binos,ebenso wie die südliche Krone und die südlichenPlejaden. Objekte wie der weitläußge Pfeifenkopfnebel waren scharf konturiert erkennbaretc. etc.
Mein Wunsch war schon seit langem, u.a. das Milchstraßenzentrum um Schütze und Skorpion herum, mit dem wir aufgrund der geringen Beobachtungshöhe in der Heimat oft Schwierigkeiten haben, eingehend zu studieren. Sämtliche Messier-Objekte dieser Region einschließlich des schönen Lagunennebels sowie die größeren NGCS konnten wir perfekt beobachten. Es gibt im Bereich des Himmels über Namibia sicher mehr als 200 Top-Objekte für die visuelle Beobachtung; die habe ich nicht alle geschafft, auch wegen der häußgen Besuche der Astro-Foto-freunde bei uns in der visuellen Beobachtungsstation. Die wollten, während ihre Autoguider auf einzelne Ziele Exiert, z.T. über Stunden liefen, bei uns die schönsten Objekte des Südhimmels auch mit eigenem Auge sehen.
Schnell entwickelte sich zu den Astrofoto-Kollegen ein freundschaftliches Verhältnis. Nächtliche Gegenbesuche auf den Beobachtungsstationen wurden von allen Astros auch gern genutzt, um jeweils andere Geräte kennenzulemen, Okulareinsichten zu vergleichen und Erfahrungen auszutauschen. So konnte ich selbst einen interessanten Einblick in verschiedene Fototechniken gewinnen, einen 24″-ICS Dobson ausprobieren und mit einem FUJINON 150 Großbino auf Galaxientour gehen. Sogar mit meinem LUNT ED-100 Bino war es möglich, reihenweise Galaxien in den Nordhimmel-Sterbildern“ Leo, Haar der Berenike, Virgo, und im extrem tiefstehenden UMa zu verorten. Eine derartige visuelle Galaxientour ist mir unter unserem heimischen Nordhimmel bisher noch nicht gelungen. Das liegt an den -auch für namibische Verhältnisse- ungewöhnlich guten Sichtbedingungen auf KIRIPOTIB am Rand der Kalahari. Für den Himmelshintergrund werden dort im Winter regelmäßig Werte von 21.86″ bis 21.96 gemessen. Die relative Luftfeuchtigkeit geht teilweise bis zu 14 % herunter. Nachts regt sich kein Lüftchen. Ab spätestens 22.00 Uhr sind regelmäßig ideale Seeingwerte angesagt.
Das machte selbstverständlich auch die Foto-freunde heiß. Die hatten auf KIRIPOTIB harte Tage. Während meine Frau und ich, begeistert von den Bildern vieler schöner Objekte, spätestens um 01.30 Uhr ins Bett gegangen waren, um ggf. morgens um 05.00 bis 06.00 Uhr noch einige (Panorama-) Aufnahmen von Sternfeldern und Zodiakallicht zu machen, hatten die Fotospezialisten z.T. die Nächte durchgemacht. Zeitparallel zu neuen Fotos waren sie auf ihren mit Blendschutzhauben und ggf. Rotlichtfolie versehenen Laptops nach der Aufnahme schon am Beobachtungsplatz in die Fotobearbeitung eingestiegen. Erste äußerst beachtliche Resultate machten dann bereits vor dem Frühstück per Mail die Runde. Der Außeneinsatz im Astropark dauerte für die Foto-Enthusiasten oftmals bis morgens 05.00 Uhr, bei dann nur noch 1-2 Grad Celsius.
Beim Frühstück ab 08.30 Uhr sahen die Kollegen dementsprechend mitgenommen aus und waren doch noch nicht ganz zufrieden mit der ,,Abarbeitung“ der Anzahl der vorher fest eingeplanten Objekte.
Da ich mich selbst als astrofotogra@schen Anfänger sehe, fragte ich die Experten, wie sie mit den KIRIPOTIB-Mietgeräten zurechtkommen. Die einhellige Meinung war, dass die angebotene Miet-Hardware ebenso wie die vorhandenen MGEN Autoguider in gutem Zustand und somit voll einsetzbar waren. Anlaufschwierigkeiten gab es mitunter, wenn die gemieteten Nachführsysteme mit eigener Software verknüpft werden sollten. Wer auf der sicheren Seite sein will-so die Empfehlung-sollte dann eine eigene, vorher zu Hause softwaremäßig abgestimmte Guiding-Kamera mitbringen.
Meine Frau und ich waren insgesamt 11 Tage auf KIRIPOTIB. Genossen haben wir neben den nächtlichen Himmelsexkursionen die exzellente Küche und die inspirierenden Begegnungen mit freundlichen Menschen sowie die heilsame Ruhe dieses Ortes. Durch das sympathische und kompetente Verwalterehepaar haben wir darüber hinaus einen Einblick in die Farmarbeit und das tägliche Leben in Namibia bekommen. Schließlich gab es noch die Möglichkeit, Ausüge zu den in der Region lebenden Wildtieren zu machen. Giraffe, Zebra, Springbock, Oryx und Leopard lassen grüßen. Die Zeit verging wie im Flug. Einen erneuten Besuch haben wir bereits fest eingeplant.
Hier noch ergänzende Informationen für alle, die eine Astro-Reise nach Namibia vorhaben:
Die Astro-Beobachtungssaison auf KIRIPOTIB geht von Mai bis September. Alle Astrogeräte verschwinden danach im Lagerschuppen. Anfang Oktober ändert sich das Wetter; Tempera-tur und Luftfeuchtigkeit steigen kräftig an. Eskommt bei Aufheizung auf bis zu 40 Grad zurEntwicklung von thermisch bedingten, starkenAufwinden. KIRIPOTIB wird dann zum inter-nationalen Treffpunkt der Segeleger. Rekord-Büge von 1000 bis zu 2000 km/Tag sind keine Seltenheit.
Also bei der Reiseplanung gut aufpassen!Es gibt erfreulicherweise während der Astro-saison keine Zeitverschiebung. Die gesetzlicheWinterzeit in Namibia entspricht exakt unsererSommerzeit.Auch wenn die Wetter-App tagsüber dort immerstrahlenden Sonnenschein zeigt – zur Beobach-tungsreise während der Astrosaison unbedingtwarme Kleidung, Wollmütze und dicke Sockenfür die nächtlichen Aktivitäten einpacken!
Sternfreunde intern
Marvin Nauendorff
Sigrid Köpke
Katharina Sörös
Ulla Werth-Vogel
Roland Hohmann
Nils Harnischmacher